Knut Wingender ist neuer Landestrainer Dressur
Oer-Erkenschick (PV). Seine Liebe zu den Pferden hatte der gebürtige Essener schon in frühen Kindertagen entdeckt. Damals begleitete der noch sehr junge Knut seinen Vater oft bei dessen Tour mit dem „Milchwagen“, der rollenden Ausgabe des elterlichen Lebensmittelgeschäfts. Die Route führte regelmäßig am Reiterhof der Familie Engel am Schellenberger Wald vorbei und dort nahm die Geschichte ihren Anfang. „Meine große Tierliebe hat mich schon als Kind geprägt“, erinnert sich der heute 54-Jährige. „Ich habe auf dem Hof das Reiten in der Ponyabteilung erlernt. Das war eine sehr schöne Zeit, geprägt von einer starken Gemeinschaft, in der ich mich – obschon ich dort der einzige Junge war – sehr wohl gefühlt habe. Mit den Ponys waren wir oft im nahegelegenen Wald unterwegs. Wir mussten nur vier Bäume mit halbwegs passendem Abstand zueinander sehen, schon entstand vor unserem inneren Auge ein Dressurviereck und wir haben dort geübt und uns vorgestellt, auf einem Turnier zu starten.“ Der Reiterhof wurde übrigens von jener Familie Engel betreut, deren leider bereits verstorbener Sohn Peter sich später lange Jahre als Jugendwart im Pferdesportverband Rheinland engagierte. Aber das ist eine andere Geschichte.
Am Schellenberger Wald absolvierte Knut Wingender sein erstes Reitabzeichen und durfte mit den dortigen Ponys erste Turnierluft schnuppern und sogar an den Stadtmeisterschaften teilnehmen. Später zog es ihn zum Essener Reiterverein am Stadtwald. Dort wurden Förderstunden angeboten und sie machten das Talent sichtbar, das in dem jungen Pferdefreund schlummerte. Es blieb nicht lange unbemerkt und aufmerksame Besitzer von Privatpferden ermöglichten ihm, weitere Erfahrungen mit verschiedenen Pferden zu sammeln. Darauf blickt Knut Wingender bis heute dankbar zurück. „Ein besonderer Förderer war Herr Schulze Willbrenning. Er hat mir die große Chance gegeben, auf wirklich guten Pferden Platz zu nehmen und dort Bewegungen zu erfühlen und Eindrücke zu sammeln, die mir eine neue Dimension des Reitens erschlossen haben.“
Als dann in dieser Zeit irgendwann die Berufswahl anstand, war eigentlich nur noch ein kleiner Schritt zu tun. „Ich war damals bei so einer Berufsberatung, wo man Tests für die persönliche Eignung machen konnte“, schmunzelt der heutige Pferdewirtschaftsmeister. „Als Ergebnis wurde mir eine Ausbildung entweder als Pferdewirt oder als Fischwirt nahegelegt. Na ja, mit Fischen hatte ich es nicht so – und die Pferde wären es wohl so oder so geworden.“
Seine Lehre begann Knut Wingender zunächst bei Hans-Georg Hinrichsen in Essen, später schloss er sie bei Heinrich Kemna in dessen Dressurstall in Haan ab. Hier lernte er auch seine spätere Frau Catrin kennen, die zu dem Zeitpunkt ebenfalls im Stall Kemna trainierte. Beide zog es gemeinsam für etwa eineinhalb Jahre nach Baden-Württemberg in den Stall des renommierten Dressurausbilders Horst Eulich. Später profitierte Knut Wingender von der Zusammenarbeit mit Klaus Balkenhol, der ihn auf seinem weiteren Weg bis zur Meisterprüfung begleitete.
1995 wurde schließlich und endlich Westfalen zur neuen Heimat von Catrin und Knut Wingender. In Oer-Erkenschwick im Kreis Recklinghausen fanden die beiden ihr neues Zuhause auf dem heutigen Silverthof. „Wir haben die Anlage, die zuvor einen Springstall und ganz ursprünglich eine Ölmühle beherbergt hat, damals im Januar übernommen. Im Februar stand dann für mich die Meisterprüfung auf dem Programm“, blickt der Wahl-Westfale auf die Gründungsphase des heutigen Familienbetriebs zurück. In den folgenden Jahren entstand nach und nach der durch seine Inhaber geprägte heutige Turnier- und Ausbildungsstall am nördlichen Rand des Ruhrgebiets, ländlich in der Nähe des herrlichen Ausreitgeländes in der Haard gelegen. Der Name „Silverthof“ leitet sich übrigens von dem kleinen Silvertbach ab, der sich auf dem idyllischen Hof zwischen Reithalle und Reitplatz seinen Weg schlängelt. Die Geschichte des Familienbetriebs hat zwischenzeitlich durch Tochter Ninya Wingender noch eine weitere Handschrift bekommen. Die heute 24-jährige erfolgreiche Sportlerin teilt nicht nur die Pferde- und Dressurliebe mit ihren Eltern, sie hat auch ihre Ausbildung zur Pferdewirtin durchlaufen und steht kurz vor dem Abschluss ihrer Prüfung zur Pferdewirtschaftsmeisterin.
Die Liebe zum Pferdesport und die Leidenschaft für seinen Beruf kann Knut Wingender nicht verbergen, wenn er von seinem Alltag erzählt. Dabei spielt das Erreichen von sportlichen Zielen natürlich seine besondere Rolle – ebenso deutlich wird aber, dass diese in Ruhe und zur Freude aller erarbeitet werden sollen. „Ich sehe bei den Kindern eigentlich immer, dass sie eine große Portion Tierliebe und den Willen mitbringen, möglichst viel über die Pferde zu lernen. Das sollten wir unbedingt bewahren und unterstützen. Sie sollen Verantwortung übernehmen und das wollen sie auch. Ich möchte gern dazu beitragen, dass sie das auf einem guten, richtigen Weg lernen“, macht der Ausbilder deutlich, was ihm mit Blick auf die Entwicklung der jungen Persönlichkeiten wichtig ist. Bei der reiterlichen Arbeit in der Halle und auf dem Platz legt er großen Wert auf Balance und ein gutes Bewegungsgefühl. „Das ist eine wichtige Grundlage. Darüber hinaus bin ich auch ein überzeugter Verfechter des Lernens durch Wiederholung.“
Auf die neue Aufgabe und die Zusammenarbeit freut sich der erfahrene Ausbilder, der sich fürs Erste vorgenommen hat, die bewährten Systeme der Talentförderung unverändert zu übernehmen. „Ich möchte in Ruhe in meine neue Rolle hineinwachsen und Erfahrungen sammeln. Wenn es später gute Ideen gibt, etwas weiter zu verfeinern, ist das immer einen Versuch wert. Im Moment ist mir Kontinuität und Regelmäßigkeit wichtig. Alles weitere wird sich ergeben“, schließt der westfälische Landestrainer Dressur, dessen persönliches Motto es ist, immer das Beste aus der aktuellen der Situation mitzunehmen.
Und dann wird es in einigen Jahren bestimmt neue und unvergessliche Erinnerungen geben, über die Knut Wingender sich freut und die er gern bewahrt. So, wie etwa auf die Verabschiedung von Pony Nickelback aus dem Sport. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.
Knut Wingender war selbst viele Jahre erfolgreich im Turniersport unterwegs. Mit verschiedensten Pferden hat er in der Dressur zahlreiche Erfolge bis in die schwere Klasse erreicht und wurde dafür 2002 mit dem Goldenen Reitabzeichen ausgezeichnet. Auch im Springsattel sammelte er Erfolge bis zur Klasse M. Nachdem Tochter Ninya ebenfalls die Turnierlaufbahn einschlug, fokussierte er sich auf das Coaching und ließ eigene Turnierambitionen auslaufen. Zu den bekanntesten Pferden, die Knut Wingender unter seinem Sattel hatte, gehört Delgado. Den großen Westfalen-Fuchs kennen viele mit seiner späteren Reiterin, der Spanierin Beatice Ferrer-Salat, die mit ihm erfolgreich an Olympischen Spielen und Championaten teilnahm. 2005 und 2006 hatte Knut Wingender den De Niro-Sohn jeweils für das Bundeschampionat qualifiziert.